Zusammenhang zwischen Musik und Intelligenz bei Kindern


In den letzten Jahren hat das Interesse an den Zusammenhängen zwischen musikalischer Betätigung und kognitiven Fähigkeiten bei Kindern stark zugenommen. Eltern, Lehrer und Bildungspolitiker:innen sind gleichermaßen daran interessiert, ob Musikunterricht die kognitiven Fähigkeiten von Kindern beeinflusst. Dieser Artikel untersucht, was die Forschung zu diesem Thema bisher herausgefunden hat. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Beziehungen zwischen Musik und kognitiver Entwicklung äußerst komplex sind. Die Auswirkungen sind oft subtil, und Studien auf diesem Gebiet sind mit methodischen Herausforderungen behaftet. Dennoch haben einige Forschungsergebnisse wichtige Erkenntnisse geliefert.

Violinschlüssel vor einer Statue von W.A.Mozart; Quelle: www.pexels.com, herzlichen Dank an Ivan dražić

1. Auswirkung der musikalischen Betätigung auf die allgemeine Intelligenz

Die Bastian-Studie

Eine Studie von Bastian (2000) hat die Auswirkungen von erweitertem Musikunterricht auf die Intelligenz von Kindern untersucht. Die Studie verwendete Intelligenztests, um die geistigen Fähigkeiten der Kinder zu bewerten. Dabei wurden verschiedene Aspekte wie IQ, mathematische Fähigkeiten, räumlich-visuelles Vorstellungsvermögen, symbolische Informationsverarbeitung, logisches Denken, Alltagswissen und Konzentrationsfähigkeit überprüft. Überraschenderweise zeigte sich, dass Kinder mit erweitertem Musikunterricht im Vergleich zu Kindern ohne zusätzlichen Musikunterricht keine signifikant höheren Werte im Intelligenztest aufwiesen. Die Studie konnte also keinen klaren Einfluss von Musikunterricht auf die Intelligenzentwicklung nachweisen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Bastian-Studie aufgrund ihrer statistischen Mängel und der ungleichen Gruppengröße keine eindeutigen Ergebnisse lieferte.

Die Schellenberg-Studie

Eine Studie von Schellenberg (2004) untersuchte die Auswirkungen von Musikunterricht auf die Intelligenz von sechsjährigen Kindern. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder mit aktivem Musikunterricht einen leicht höheren IQ aufwiesen als Kinder ohne Musikunterricht. Dieser Unterschied war statistisch signifikant, das heißt dass das Ergebnis wahrscheinlich kein Zufall war. Aber dennoch war der Unterschied eher gering. Die Studie legt nahe, dass Musikunterricht einen positiven Effekt auf die allgemeine Intelligenz haben kann, dieser Effekt ist jedoch nicht besonders stark ausgeprägt.

2. Auswirkung der musikalischen Betätigung auf das räumlich-zeitliche Vorstellungsvermögen

Rauscher et al. (1993 und 1997) untersuchten den Zusammenhang zwischen Musikunterricht und der Raumvorstellungsfähigkeit von Vorschulkindern. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder nach mehrmonatigem Musikunterricht Verbesserungen in ihrer räumlich-zeitlichen Vorstellungsfähigkeit zeigten. Allerdings sind auch diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, da der Einfluss des Unterrichtsinhalts und der Unterrichtsdauer nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

3. Auswirkung der musikalischen Betätigung auf Wahrnehmung und Sprachfähigkeit

Es gibt auch Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Musikunterricht die Wahrnehmung und sprachlichen Fähigkeiten von Kindern verbessern kann.

Klemm (1987) fand eine starke Verbindung zwischen musikalischer und sprachlicher Hörfähigkeit. Douglas und Willatts (1994) zeigten, dass Kinder nach sechsmonatigem Musikunterricht höhere Leistungen in der Raumvorstellungsfähigkeit und Lesefähigkeit erbrachten. Standley und Hughes (1997) fanden heraus, dass Vorschulkinder, die zwei Monate lang Musikunterricht erhielten, bessere Lese- und Schreibleistungen erbrachten. Eine Studie von Thompson et al. (2004) untersuchte den Einfluss von Musikunterricht auf die Fähigkeit, Emotionen anhand von Sprachprosodiemustern zu erkennen. Sprachprosodie ist ein anderes Wort für die Sprachmelodie, d.h. z.B. ob die Stimmlage am Ende eines Satzes wie bei einer Frage höher wird. Sie ist wichtig zum Ausdrücken und Erkennen von Gefühlen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Musikunterricht die Fähigkeit zur Erkennung von Gefühlen positiv beeinflussen kann.

4. Fazit

Die Forschung zu den Zusammenhängen zwischen Musik und kognitiver Entwicklung von Kindern ist komplex und nicht eindeutig. Einige Studien deuten auf positive Effekte hin, insbesondere im Hinblick auf das räumlich-zeitliche Vorstellungsvermögen, die Sprachentwicklung und die Wahrnehmung. Dennoch sind die meisten Effekte eher geringfügig und Studien mit methodischen Schwierigkeiten behaftet. Es bleibt also eine Herausforderung, den genauen Einfluss von Musikunterricht auf die kognitive Entwicklung von Kindern zu verstehen. Trotzdem wird die Bedeutung von Musikunterricht für die Persönlichkeitsentwicklung und die kognitiven Fähigkeiten von Kindern oft betont, selbst wenn wissenschaftliche Beweise begrenzt sind. Die Forschung auf diesem Gebiet wird fortgesetzt, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen und die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Musik und kognitiver Entwicklung zu klären.

Quellen und zu Weiterlesen:

Dick, A. , Reuter, C. (2013). Bedeutung des Musikerlebens für die Entwicklung des Kindes in westlichen Kulturen. Diplomarbeit, Diplomstudium Musikwissenschaft

Bastian, Hans G.: Musik(erziehung) und ihre Wirkung. Eine Langzeitstudie an Berliner Grundschulen. Mainz: Schott 2000

Schellenberg, Glenn E.: Music lessons enhance IQ. Psychological Science, Band 15,
Nummer 8, S. 511-514, 2004

Rauscher, Frances H.; Shaw, Gordon L.; Ky, Katherine N.: Music and spatial task
performance In: Nature Magazine, Band 365, S. 611, New York (USA): Nature Publishing Group 1993

Rauscher, Frances H.; Shaw, Gordon L.; Levine, Linda J.; Wright, Eric L.; Dennis, Wendy R.; Newcomb, Robert L.: Music training causes long-term enhancement of preschool children´s spatial-temporal reasoning. Neurological Reasoning, Band 19, Nummer 1, S. 1–8, 1997

Klemm, Gerhard: Untersuchungen über den Zusammenhang musikalischer und sprachlicher Wahrnehmungsfähigkeiten. XII. Europäische Hochschulschriften: Reihe 36, Musikwissenschaft. Bd. 27, Frankfurt/M., Bern, New York, Paris, 1987

Douglas, Sheila; Willatts, Peter: The relationship between musical ability and literacy skills. Journal of Research in Reading, Band 17, Nummer 2, S. 99–107, 1994

Standley, Jayne. M.; Hughes, Jane E.: Evaluation of an early intervention music curriculum for enhancing pre-reading/writing skills. Music Therapy Perspectives, Band 15, S. 79-85,1997

Thompson, W. F., Schellenberg, E. G., & Husain, G. (2004). Decoding speech prosody: do music lessons help?. Emotion (Washington, D.C.)4(1), 46–64. https://doi.org/10.1037/1528-3542.4.1.46


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert