Die Sprachentwicklung von Kindern: Vom ersten Schrei über die ersten Worte bis zu ganzen Sätzen


Die Sprachentwicklung eines Kindes beginnt bereits vor der Geburt und macht in den ersten Lebensjahren entscheidende Fortschritte. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Phasen der Sprachentwicklung von Geburt bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres und wie Musik dabei eine wichtige Rolle spielen kann.

Sprechendes Kind, Quelle: www.pexels.com, herzlichen Dank an Nghia .8pm für die Überlassung des Bildes

Die vorsprachliche Entwicklungsphase (vor der Geburt & Geburt bis 3 Monate) – Erstes Ausprobieren

Obwohl Neugeborene in ihren ersten Lebensmonaten noch nicht sprechen können, legen sie den Grundstein für ihre spätere Sprachentwicklung.

Schon vor der Geburt können Babys hören und gewöhnen sich an die Stimmen, die sie umgeben. Ihre erste Lautäußerung ist der Schrei nach der Geburt, wenn zum ersten Mal Luft in die Lungen gelangt ist.

Bevor Kinder sprechen können, experimentieren sie spielerisch mit ihrer Stimme, indem sie verschiedene Laute erzeugen. Grundlage für die Sprachentwicklung sind archaische Laute wie Weinen, Schreien, Stöhnen und Glucksen. Diese Entwicklung in den ersten Lebenswochen nennt man „erste Lallphase“ oder „Gurrperiode“.

Diese Laute dienen der verbalen Interaktion mit der Umwelt und ermöglichen es dem Baby, Emotionen wie Langeweile, Vergnügen, Hunger, Zufriedenheit oder Unzufriedenheit auszudrücken.

Nach der Geburt bevorzugen sie menschliche Laute und Sprache gegenüber anderen Geräuschen. Sie beobachten aufmerksam die Mundbewegungen ihrer Bezugspersonen und üben sich in der frühesten Form der Kommunikation: dem Schreien. Durch das Schreien treten sie intensiv mit ihrer Umwelt in Kontakt und trainieren gleichzeitig ihren Stimmapparat. Mit der Zeit erkennen sie den Zusammenhang zwischen ihrem Schreien und den Reaktionen ihrer Mitmenschen und üben sich so in der Kommunikation, indem sie ihre Bedürfnisse laut äußern.

Auch ohne Lautäußerung kommuniziert das Baby durch Gesten, Mimik.

Übrigens, wenn das Kind auf dem Rücken liegt, rutscht die Zunge nach hinten, es werden hintere Laute erzeugt. Diese sind typisch für die erste Lallphase.

3 bis 6 Monate – Kommunikative Funktion

Ab dem dritten Monat werden Babys aufmerksamer und wenden sich intensiver ihrer Umgebung zu. In dieser Phase äußern sie sich unter anderem durch Gurren, Quietschen, Lallen, Juchzen und Brabbeln.

Wenn ihre Umwelt positiv auf diese Fortschritte reagiert, können Babys erste „Gespräche“ führen, indem sie auf Ansprache reagieren und auf eine Antwort warten.

6 bis 10 Monate – Weitere Laute, Nachahmungen

Wenn sich das Baby auf den Bauch drehen kann, überstreckt es den Kopf und geht in den sog. Unterarmstütz. Durch diese Kopfbewegung schiebt sich der Unterkiefer nach vorne, was auch die Zunge nach vorne bringt. Nun kann das Kind auch im vorderen Teil des Mundes artikulieren. Jetzt tritt das Baby in die zweite Lallphase ein.

Die Lautbildung hängt nun stärker von der sprachlichen Anregung aus der Umgebung ab. Baby beginnt, Silben und Silbenverdopplungen wie „lalala“ und „bababa“ zu produzieren. Es genießt „Brabbel-Gespräche“ mit seiner Familie und ahmt die Lautäußerungen seiner Umgebung nach.

Das Sprachverständnis entwickelt sich ebenfalls weiter, und das Baby kann bereits einige Namen von Alltagsgegenständen und bekannten Personen verstehen. Es versteht einfache Fragen wie „Wo ist der Apfel?“ und kann darauf reagieren.

Ab wann sprechen Kinder die ersten Worte? – Erste Einwortäußerungen 8-18 Monate

Die Sprachentwicklung verläuft bei jedem Kind unterschiedlich schnell. Einige Kinder sprechen bereits mit etwa acht Monaten das erste verständliche Wort, während es bei anderen erst mit über einem Jahr der Fall ist. Die ersten Worte sind oft eng mit dem Umfeld und dem Alltag des Kindes verbunden. Häufig benennen sie Personen (Mama, Papa), Dinge (Ball, Hund) und grundlegende Verben (essen, schlafen).

18 Monate – 4 Jahre

Schnelles Hinzulernen von Wörtern, erste grammatikalische Regeln werden erlernt und angewandt. Bis zum Alter von 4 Jahren hat das Kind in der Regel alle Sprachlaute und die Grammatik erlernt.

Bei der Einschulung beträgt der aktive Wortschatz der Kinder meist über 3000 Wörter.

Fazit

Die Sprachentwicklung ist ein faszinierender Prozess, der von Geburt an beginnt und in den ersten Lebensjahren entscheidende Fortschritte macht. Musik kann dabei eine wichtige Rolle spielen, insbesondere in Bezug auf die phonologische Bewusstheit, den Wortschatz und die Entwicklung von Emotionen, Motivation und Anstrengungsbereitschaft. Die Sprachentwicklung ist ein wichtiger Meilenstein in der geistigen Entwicklung eines Kindes und legt den Grundstein für erfolgreiches Lesen und Schreiben in der Zukunft.


Häufige Fragen:

Wie kann ich die Sprachentwicklung meines Kindes fördern?

Die Sprachentwicklung des Kindes lässt sich in den ersten Lebensmonaten nur im Zwischenmenschlichen mit dem Kind. Es geht hier nicht nur um die reine Imitation von Geräuschen und Lauten. Vielmehr ist es wichtig, die Motivation des Kindes, sich zu äußern zu fördern. Erwachsenen sollten auf Laute wie Gurren oder Brabbeln eingehen. Eine Konversation könne etwa wie folgt aussehen: Baby: „Brabrabra. Määäh. Mama. Baaba.“ Antwort:  „Aha, das ist ja spannend. Du hast also heute wieder viel erlebt. Danke dass du mir das alles erzählst!“

Auch Fingerverse und Lieder eigenen sich hervorragend, um den Klang von Sprache, sowie den Rhythmus zu erlernen. Lieder können hervorragen genutzt werden, um Emotionen zu transportieren oder zu verarbeiten. Das zeigt sich besonders in der Wirkung von Wiegenliedern, die in vielen Kulturen zum Beruhigen und zur Schlafbegleitung genutzt werden.

Wie erkenne ich eine Sprachentwicklungsstörung/ Sprachentwicklungsverzögerung bei meinem Kind?

Generell sollte das Kind einige Meilensteine der Sprachentwicklung bis zu bestimmten Altersstufen erreicht haben. Diese werden auch in den U-Untersuchungen geprüft.

Beispiele für solche Meilensteine sind:

  • Bevor das Kind seinen ersten Geburtstag feiert, sollte es die zweite Lallphase erreicht haben
  • Zum zweiten Geburtstag sollten die Kinder min. 50 Wörter selbstständig nutzen können und Zweiwortsätze sprechen
  • Zum vierten Geburtstag sollte das Kind alle Sprachlaute nutzen können.

Erreicht das Kind diese Meilensteine nicht, spricht man von einer Sprachentwicklungsverzögerung (SEV). Am häufigsten erfolgt die Diagnose einer SEV im Alter von 18-35 Monate. Im deutschsprachigen Raum erfolgt diese Diagnose zwischen 14.3% und 27%. 50-60% dieser Kinder holen aber die Sprachentwicklung im Laufe des 3. Lebensjahrs wieder auf! Man bezeichnet sie dann auch als „late boomers“. Eine SEV bezeichnet also ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung von „echten Sprachproblemen“.

Wurde die Sprachentwicklung bis zum 3. Lebensjahr nicht aufgeholt, wird sie als Sprachentwicklungsstörung bezeichnet. Eine individuelle Förderung ist nun noch wichtiger, da das Risiko für eine bleibende Sprachstörung nun höher ist!

Sollten Sie merken, dass sich Ihr Kind nicht altersgemäß entwicklelt oder unsicher sein, wenden Sie sich bitte an Ihre:n Kinderärzt:in!

Wie viele Stufen der Sprachentwicklung gibt es?

Das kommt darauf an, wie man die Sprachentwicklung einteilt. Im ersten Lebensjahr werden häufig mehrere Phasen eingeteilt, weil hier sehr viele Meilensteine nacheinander erreicht werden. Noch bis ins Schulalter lernen Kinder aber unglaublich viel dazu!

Wie verläuft die Sprachentwicklung?

Zur Sprachentwicklung des Babys und Kleinkines gehört das Ausprobieren und Nachahmen verschiedener Laute, die Stärkung und Übung der Schlund- und Zungenmuskulatur und die Bedeutungsgebung einzelner Worte. Zuletzt wird der Wortschatz ausgebaut und die Grammatik hinzugefügt. Die Sprachentwicklung steht im Zusammenhang mit weiteren Faktoren der Entwicklung, wie Motorik und sozialer Interaktion. Mehrere Phasen der Sprachentwicklung lassen sich bei Kindern ähnlich beobachten Hierzu gehören die erste und zweite Lallphase, sowie erste Ein- und Zweiwortsätze.

Was sind die Meilensteine der Sprachentwicklung?

Meilensteine der Sprachentwicklung sind die erste Füllung der Lungen mit Luft bei der Geburt, die Lallphase in den ersten Monaten nach der Geburt (Gurren, Brabbeln), sowie der Übergang in die zweite Lallphase (Silbenwiederholungen). Bis zum 2. Lebensjahr sprechen die Kinder in der Regel 50 Wörter. Bis zum 4. Lebensjahr sollte das Kind alle Sprachlaute nutzen können.


Quellen und weiterführende Literatur:

Buehler, Daniela & Ernst, B & Jenni, Oskar. (2020). Sprachentwicklung des jungen Kindes. Monatsschrift Kinderheilkunde. 168. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de)

Bishop DVM (1997) Uncommon understanding: development and disorders of language comprehension in children. Psychology Press, Hove

Liszkowski U (2015) Kommunikative und sozial-kognitive Voraussetzungen des Spracherwerbs. In: Sachse S (Hrsg) Handbuch Spracherwerb und Sprachentwicklungsstörungen. Elsevier, Urban und Fischer, München, S 27–38


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